Wenn Sie an Konflikte denken, was fällt Ihnen dann als Erstes ein? Ein ungutes Gefühl, Verletzungen und unangenehme Situationen? Dann geht es Ihnen so wie den meisten Menschen. Doch wie alles, haben auch Konflikte positive Folgen und unter bestimmten Bedingungen kann ein Konflikt als Chance gesehen werden.
Ein Hinweis noch vorweg: Nicht jeder Konflikt muss analysiert und ausgetragen werden! So wie es nicht sinnvoll ist, sich vor jedem Konflikt zu verstecken, ist es nicht notwendig, jeden kleinen Unterschied in der Wahrnehmung oder den Interessen zweier Personen zu diskutieren. Sollten Sie jedoch einen Konflikt als sehr belastend empfinden, möchte ich Ihnen hiermit zeigen, was sich alles Positives ergeben könnte, wenn Sie sich diesem stellen.
1. Konflikt als Chance, zu erfahren, was der/die andere denkt
Ich erlebe in Mediationen immer wieder, dass sich Personen darüber beschweren, dass der/die PartnerIn sie nicht an seinem/ihrem Leben teilhaben lässt, sich nicht öffnet und die eigenen Gedanken und Träume nicht mit ihnen teilt. Und bei der ersten Gelegenheit, in der der/die PartnerIn Gedanken und Erfahrungen äußert, prasselt es Vorwürfe. Da wird dann ein falsches Wort verwendet und das Gegenüber hört gar nicht mehr zu, sondern bereitet sich innerlich auf den Gegenangriff vor. Das alles ist verständlich und passiert uns allen manchmal in hitzigen Diskussionen. Ich möchte dabei jedoch zu Bedenken geben, dass solange jemand noch mit Ihnen diskutiert, er sich noch für Sie und die Beziehung interessiert. Wenn Sie es schaffen, ihrem Gegenüber in einem Streit wirklich zuzuhören, also nicht im Kopf schon die Antwort zu überlegen oder schon drei Schritte vorzugehen, da sie ja wissen, worauf er/sie hinauswill, dann haben Sie die Möglichkeit zu erfahren, was sie/ihn bewegt und beschäftigt.
2. Konflikt als Chance für die persönliche Weiterentwicklung
Wenn wir uns mit jemandem streiten, erhalten wir meist auch ein Feedback zu unserem Verhalten. Dieses folgt möglicherweise keinen Feedbackregeln und ist daher im ersten Moment vielleicht eher schwer anzunehmen. Aber mit ein bisschen Abstand oder wenn Sie es schaffen, den Konflikt produktiv auszutragen, erhalten Sie wichtige Informationen darüber, wie Ihr Verhalten bei dieser anderen Person ankommt.
Wenn Sie Konflikte etwas reflektieren, lernen Sie sich vermutlich auch selbst besser kennen. Was sind Ihre “wunden Punkte”? Was ist Ihnen besonders wichtig? Was brauchen Sie von der anderen Person?
Wenn Sie einen Konflikt gut überstehen, fühlen Sie sich sicherer, selbstbewusster und voller Energie, da ungelöste Konflikte sehr belastend sein können. In einem Konflikt können Sie Ihre Kompetenzen erproben und Erfolge feiern, wenn es Ihnen gelingt, den Konflikt gut zu lösen!
3. Konflikt als Chance, die Beziehung zu stärken
Damit sich eine Beziehung entwickeln kann, muss sie Konflikte durchleben und überstehen. Ohne Konflikte bleibt die Beziehung sehr oberflächlich. Jede/r ist höflich, steckt zurück und ist sehr darauf bedacht, ja nicht das Falsche zu sagen. Das ist normal am Anfang von beruflichen und privaten Beziehungen.
Eine Freundin von mir bekam mal von einer Kollegin zu hören, dass sie eine sehr schlechte Beziehung habe, da sie sich ab und zu mit ihrem Freund streite. Die Kollegin habe sich noch nie mit ihrem Freund gestritten. Zu diesem Zeitpunkt war die Kollegin gerade mal sechs Wochen in der Beziehung, während die Freundin von mir mit ihrem Partner bereits das 8-jähriges Jubiläum gefeiert hatte.
In den ersten Wochen einer neuen Beziehung ist es durchaus möglich, sich nicht zu streiten. Man schafft es, immer höflich zu sein und den anderen nicht zu verärgern. Wenn die Monate und Jahre vergehen, werden bei regelmäßigem Kontakt Konflikte auftreten. Das ist etwas Positives, da es bedeutet, dass die Beziehung tiefer wird, wenn es gelingt, den Konflikt gemeinsam zu lösen.
Es geht darum, sich mit dem anderen auseinandersetzen. Nicht mit dem Idealbild, das man erschaffen hat, sondern mit der realen Person. Natürlich ist erstmal die Enttäuschung groß, wenn doch nicht alles so perfekt ist, wie anfangs angenommen, jedoch steigt das gegenseitige Vertrauen. Das Wissen, dass auch Krisen gemeinsam überstanden werden können, schweißt zusammen. Durch das gemeinsame Bearbeiten von Konflikten, wird sozusagen die gemeinsame Paarkultur definiert und geklärt, wie man als Paar sein will, was man sich vom anderen erwartet und welche gemeinsamen Ziele man hat. Die Arbeit, die man in diese Diskussionen steckt, führt auf längere Sicht zu mehr Zufriedenheit und Sicherheit in der Beziehung.
4. Konflikt als Chance, Probleme aus der Welt zu schaffen
Wenn ein Problem so vor sich hinbrodelt, aber nie zur Sprache kommt, kann es auch nicht bearbeitet werden. In vielen Fällen führt so ein unterschwelliges Brodeln irgendwann dazu, dass einer oder beide explodieren. Da wird dann die eigene Meinung unter Missachtung aller Regeln für eine konstruktive Kommunikation an den Mann gebracht. Dies hat jedoch auch einen Vorteil: Dadurch wird der Konflikt greifbar und kann bearbeitet werden. Natürlich wäre es wünschenswert, die Probleme würden frühzeitig angesprochen werden, doch das ist eben nicht immer der Fall. Dann ist oftmals so ein reinigendes Gewitter besser, als die unterschwelligen Aggressionen.
5. Konflikt als Chance, Eskalationen zu vermeiden
Ein Konflikt ist ein Warnhinweis. Wenn Sie es schaffen, darauf zu hören, bevor dieser eskaliert, lässt er sich wesentlich leichter und schneller lösen. Wenn Sie merken, dass Sie unbedingt Ruhe brauchen, während Ihr/e PartnerIn so gerne Zeit mit Ihnen verbringen möchte, ist das ein Konflikt, der gut gelöst werden kann, wenn noch keiner von Ihnen den anderen persönlich angegriffen hat.
Wenn Sie den Konflikt frühzeitig ansprechen, ersparen Sie sich die gegenseitigen Vorwürfe und die Frustration, nicht verstanden zu werden. Je länger Sie warten, desto mehr wird der eigentliche Konflikt verdeckt. Wenn Sie zuerst mehrere Tage und Wochen damit zubringen, sich gegenseitig Gemeinheiten an den Kopf zu werfen, spielen die später alle bei der Konfliktbearbeitung eine Rolle. Dann geht es nicht mehr nur darum, dass es unterschiedliche Wünsche gibt, sondern dass Ihr(e) PartnerIn Ihnen gesagt hat, Sie würden ihn/sie im Stich lassen und seien egoistisch, was nicht stimmt und Sie verletzt hat.
Wenn Sie in so einen Teufelskreis geraten, versuchen Sie die Stop-Taste zu drücken, nochmal an den Anfang zurückzukehren und sich klarzumachen, worum es wirklich geht.
Fazit
Ob ein Konflikt positive oder negative Folgen mit sich bringt, hat viel damit zu tun, wie Sie mit ihm umgehen. Der Konflikt selber ist erstmal neutral. Er sagt lediglich aus, dass Sie unterschiedliche Sichtweisen haben. Darüber zu sprechen kann lustig, traurig, interessant oder unangenehm sein. Das hängt von Ihnen und Ihren Interpretationen der Situation ab. Wenn Sie einen Konflikt als Zeichen für ein Scheitern der Beziehung sehen, werden Sie ihn ganz anders angehen als wenn Sie ihn als spannende Möglichkeit sehen, mehr über sich und Ihre(n) PartnerIn zu erfahren. Wenn es Ihnen ab und zu gelingt, auch die positiven Seiten eines Konflikts zu sehen, haben Sie schon viel gewonnen!
Welche Vorteile und positiven Folgen von Konflikten haben Sie schon erlebt? Wie gehen Sie normalerweise mit Konflikten um? Versuchen Sie sie eher zu vermeiden oder sind Sie eher “konfliktlustig”?
Bitte nehmen Sie sich kurz Zeit, um diesen Artikel zu bewerten!
[kkstarratings]
Pingback: Wege durch die Krise: Erste Hilfe bei Beziehungsproblemen | Mag. Elisabeth Krüger